Nach dem Entsetzen über die gestrigen Ereignisse in den Vereinigten Staaten durchleben alle Völker, die gesamte zivilisierte Welt, Trauer, Fassungslosigkeit, Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer. Die menschliche Zivilisation auf allen Kontinenten der Erde ist durch diesen menschenverachtenden abscheulichen Angriff betroffen. Diese ernste Stunde verlangt einen Ruf nach Besonnenheit und Einsehen. Vor allem diejenigen, die Regierungsverantwortlichkeit tragen, dürfen sich keineswegs dem Geist der Rache und Vergeltung überlassen. Staatsmännische Verantwortung erfordert, eine Welle der Eskalation mit allen Mittel zu verhindern. Man muß auf "Zuschlagen" verzichten, wenn uns wichtig bleibt, die Werte der Demokratie zu vertreten und sie in einer offenen Gesellschaft zu verteidigen.
Etwas ganz anderes ist es, die Verantwortlichen zu identifizieren und sie vor Gericht zu stellen. Deswegen müssen unangemessene Ausdrücke aus Erklärungen verschwinden wie "erklärter Krieg gegen die zivilisierte Welt". Es ist die Reaktion auf eine kritische Situation, was die Statur eines Staatsmanns oder den Wert eines Systems auf dem Prüfstein stellt.
Krieg bedeutet bewaffnete Konfrontation von einer Seite gegen mindestens eine andere: Man braucht zwei Kontrahenten für einen Krieg. Weder im Interesse Amerikas noch im Interesse Europas oder irgendeines Kontinents kann es sein, Krieg zu führen.
Die partikuläre Lesart des Westens muß aufhören, die glauben läßt, der Westen sei der einzige zivilisierte Teil. Es ist an der Zeit, durch diese bittere Stunde einzusehen, daß Vergeltung, also weiterer Terror nur eine Kette sinnloser menschenverachtender Gewalt nach sich ziehen wird. Keine verantwortungsbewußte Regierung darf sich auf diese Eskalation einlassen. Vielmehr muß man die Lage gemeinsam überdenken, sich besinnen.
Das Böse kommt nicht aus dem Nichts. Es hat einen breiten Hintergrund und einen langen Weg hinter sich. Alle Staatsmänner sind aufgerufen, sich zu besinnen, um einzusehen, woher die Ursache eines so blinden Hasses, eine so immense Abneigung gegen Amerika, gegen den Westen kommt. Diese Aufforderung nach Aufklärung und Selbstbesonnenheit ist nicht mit Rechtfertigung für den Terror zu verwechseln, im Gegenteil, nur in Besonnenheit wird der erste Schritt gelingen, den Terror zu überwinden., ganz und gar nicht mit militärischen Reaktionen - allein oder in Militärbündnissen. Es geht darum, den Terror an seinen wahren Wurzeln zu packen und zwar mit der unbesiegbaren Kraft eines neuen aufklärerischen Geistes. Eines guten Geistes. Humanistisch gesinnte und religiöse Menschen, gerade auch Christen, wissen darum.
Die letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sind vom Wirken des Bösen bis zum Schluß geplagt. Die Wende ins 21. Jahrhundert ist durch Untaten von Demokratien verdunkelt, Demokratien, die ihre eigenen Werte und Regeln in der Welt verrieten, wobei im Namen der Menschlichkeit menschliches Leben geschändet und getötet wurde. Perfider konnte es nicht zugehen. Es ist an der Zeit, die internationale Politik im Rahmen der menschlichen internationalen Normen einzuschränken, um das Leben aller Völker in Gerechtigkeit zu respektieren.
Der Westen sollte sich nicht länger die Rolle des lieben Gottes anmaßen und sich als Herr über Leben und Tod anderer Menschen aufspielen. Dann und nur dann schafft man gemeinsame Sicherheit für alle.
Der Geist muß sich ändern, damit nicht der Haß die Oberhand gewinnt und damit der Terror, den wir bekämpfen wollen. Die islamische, muslimische Welt darf keineswegs pauschal verurteilt werden. Eine differenzierte Sicht ist das Gebot der Stunde.
Die arabischen-palästinensischen Emotionen in Israel, im Nahen Osten muß man im Kontext der Ereignisse in den letzten Jahrzehnten verstehen: Mit der Duldung der westlichen Welt ist dort eine ungerechte Lage entstanden und verschärft worden. Amerika, Europa und Israel sollten gemeinsam den Weg des gerechten Friedens suchen.
Die Zeichen der Zeit sind überdeutlich: Sie weisen auf die Rückkehr zu einer völkerrechtlichen Einschränkung und einen Lebenscodex hin. In diesem Rahmen sind alle Probleme der Welt anzusprechen, und sie sind, der gute Wille vorausgesetzt, lösbar.
Luz María Destéfano de Lenkait,
Juristin und Diplomatin a.D.
Meerbusch
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